Wären „wir“ nur vernünftige 2 Milliarden Menschen und würden „wir“ nachhaltig wirtschaften, gäbe es einen Stickstoffüberschuss nur beim Kuhstall, an den Orten wo jeweils die Komposttoilette steht, auf Trampelpfaden wilder Tierherden und in überschwemmten Auwäldern. So ist die Welt schon lange nicht mehr. Heute sind die meisten Böden massiv überdüngt.
Ja, in den Städten ist Hunde-Urin stellenweise die Haupt- Stickstoffquelle. Es sind jene Stellen, wo unsere Lieblinge bevorzugt ihr Bein heben.
Anders als gerne behauptet wird, führt dies aber keineswegs zum Absterben sämtlicher Pflanzen auf den geheiligten „Grünflächen“. (Kübel mit grüner Farbe + Malerrolle + Wand = Grünfläche. Wo Pflanzen wachsen, spricht man von Ökosystemen. Hoffentlich.)
Tatsächlich gibt es Pflanzen, die von Natur aus einen hohen Nährstoffbedarf haben: nitrophile („den Stickstoff liebende“) Pflanzen oder allgemein „Nitrophyten“ (Pflanzen mit hohem Nährstoffbedarf). Dem Gärtner sind sie eher als „Starkzehrer“ bekannt.
Was machen diese Pflanzen mit dem Stickstoff? Nun, sie wachsen. Für den Aufbau neuer Gewebe sind Proteine erforderlich und damit die Pflanze Proteine bilden kann, braucht sie Stickstoff (und andere Nährstoffe.) Je rascher eine Pflanze wächst, desto mehr Nährstoffe braucht sie. Im Intensiv-Landbau wird daher viel gedüngt – zum Beispiel mit Gülle, also mit Urin und Scheiße der Nutztiere. Aha. Aber wenn dein Hund Bein hebt, „verbrennt“ die Grünfläche komplett? Vorhang auf zur Märchenstunde…..
Meine vierbeinigen Mitbewohner möchten nicht in eisigen Winternächten auf der Straße ihr Geschäft verrichten. Bäh. Tierquälerei. Nur schnell in den Garten und gleich zurück ins warme Bett, mit Schnee im Pelz. Als reinliche Tiere erledigen sie das Nötige in der Gartenecke, die am weitesten vom Bett weg ist. Dort sammelt sich im Winter richtig viel Urin an. Verbrannte Erde? Nein! Dort wächst eine Pinkelpflanze, die diesen Dünger im Frühling sofort verwertet.
Ja, eine solche Super-Pinkelpflanze gibt es. Sie liebt Hundepisse, sie ist insekten- und vogelfreundlich, sie bringt sogar eine köstliche Ernte. Es ist…. die BROMBEERE. Wachsen viele Brombeeren neben Waldwegen, dann ist das ein Hinweis auf die Gegenwart vieler Hunde. Die Brombeere ist eine „Zeigepflanze“ für Pinkelwege. Also macht es Sinn, Pinkelecken im Garten mit Brombeeren zu bepflanzen. Die Sortenauswahl ist riesig, es gibt auch sehr wärmebedürftige Sorten für Standorte, denen der Klimawandel zusetzt. Ich kultiviere „Navaho Original“, „Oregon Thornless, „Loch Ness“ und „Black Satin“. Die Pflanzen sollen nicht nur den Hundeurin aus dem Boden entfernen, sondern dienen – am Zaun hochgezogen – auch als schmaler und nützlicher Sichtschutz. Sie sind für Vögel und Insekten deutlich wertvoller als Thujen.
Mit den richtigen Pflanzen lassen sich Pinkel-Ecken im Garten und am Gartenzaun wunderbar begrünen und für durchziehende Insekten und Vögel aufwerten. Es ist kein Drama, wenn Gimli und Milo dort markieren!
Im nährstoffreichen Halbschatten gedeihen Holunder, Brombeeren, Himbeere, Schwarze Johannisbeeren, Bittersüsser Nachtschatten, Herzgespann, Beinwell, Wald-Ziest, Brauner Storchschnabel, Waldmeister, Schmalblättriges Weidenröschen, Zottiges Weidenröschen, Einjähriges Silberblatt, Meerrettich, (Gemüse-)Kletten, Nieswurzen, Frühlings-Platterbse, Walderdbeeren, Gefleckte Taubnessel, Gundelrebe, Knoblauchrauke…
Nur wenige Gartenblumen gehören in die Kategorie „super-sensible Magerstandort-Spezialisten“. Im Gegenteil, in ihren Herkunftsgebieten sind sie meistens Unkraut. Ich habe Herbstanemonen, Akeleien, diverse Storchschnäbel, Orientalische Nieswurz und Stinkende Nieswurz, mehrjährige Sonnenblumen, Rauhblatt- und Glattblatt-Astern, Garten-Sonnenaugen, Solidago rugosa (Sorte „Fireworks“), Nesselkönige und etliche Hostas als wirklich robust erlebt. Da kann der Hund auch mal direkt auf dem Austrieb die Blase leeren oder Durchfall haben, die Pflanze steckt das weg.
Nur in Kombination mit anderen Pflegefehlern kommt es zum Absterben von Pflanzen: Ständiges Betreten und Befahren. Extremer Streusalz-Gebrauch im Winter. Extreme Sommerhitze und Wassermangel.
Walderdbeeren (und Kulturerdbeeren) sind zum Beispiel sehr nährstoffliebende Pflanzen. An halbschattigen Pinkelstellen wachsen sie üppig, gerne auch neben Straßen. Aber sie sind nicht salztolerant. Gar nicht. Ein bisschen zu viel Streumittel im Boden – und sie verschwinden, meistens für immer.
Natürlich gibt es auch Pflanzen, die Betritt, Salz, Hitze, Abgase und sehr viel Urin problemlos verkraften: Die allseits unbeliebte Mäusegerste (Hordeum murinum) zum Beispiel, Tierbesitzern als „Schliafhansel“ bekannt. Die Grannen der Mäusegerste können sich tief in lebendes Gewebe bohren.
Gärtnerei ist die Kunst, sämtliche Angriffe der Natur und der lieben Nachbarn elegant zu parieren und mit Blüten und Früchten zurück zu schlagen. Zu Weihnachten kann man den coup de grâce setzen, indem man besonders hundefeindlichen Grünflächen-Besitzern ein Gläschen Bio-Brombeer-Marmelade (kein Kunstdünger!) schenkt, von dessen Etikett der Hund grinst.